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Kapitel 3

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Die Maas in Belgien




Ab jetzt fließt die Maas durch Belgien.
Direkt an der Grenze kommt die erste Schleuse auf belgischem Gebiet. Die Bootsfahrer werden aufgefordert sich in der Schleuse für die Durchfahrt durch Wallonien anzumelden. Noch vor 3 Jahren wurde ein Zettel mit der Hand ausgefüllt, doch heute macht das der Computer. Für mich die erste Gelegenheit meine 3 Brocken französisch rauszukramen. Der junge Schleusenmeister kann kein Wort deutsch und mit dem Computer steht er sich auch nicht so gut. Gemeinsam gelingt es uns ein "Permis de circulation et document statistique" in vierfacher Ausfertigung auszudrucken. Kosten -,60 Euro. Ich frage zweimal: " 60 Cent?" "QUI, Madame." Ich konnte mir ein Lachen wirklich nicht verbeißen. 60 Cent für die Durchfahrt durch die Wallonie, ein lächerlicher Betrag, auf den man leicht auch verzichten könnte. Doch wir brauchen das Permis, es muss an jeder Schleuse abgestempelt werden.

Einige Kilometer vor Lüttich beginnen die Industrie- und Hafenanlagen, welche die Stadt seit dem Mittelalter zum bedeutendsten Industriegebiet von Belgien gemacht haben.
So geballte Industrielandschaften haben genauso ihren Reiz wie Natur pur. Wir fahren an riesigen Kohlehalden vorbei. Kohle von Gries bis dicken Brocken. Ein Sandverladeplatz fasziniert mich besonders. Sand in allen Körnungen und Farben. Ich habe wirklich nie darüber nachgedacht, was Sand für Farben hat. Weiß, hellgelb und ocker, braun, hellgrau bis schiefergrau und schwarz, alle Rottönungen von rosa bis ziegelrot und blau. Alles fein säuberlich sortiert. Manfred schüttelt den Kopf über meine Begeisterung. " Was kann einen nur an Sand so faszinieren?" "Am Rhein gibt es halt nur graue Kieshaufen." >Keinen Sinn für das Ungewöhnliche die Männer Ich denke nie laut.



 

Die Geschichte der Stadt Lüttich lässt sich bis zur ersten Menschenansiedlung zurückverfolgen. Richtig entwickelt hat sich die Ansiedlung erst nach der Bekehrung zum Christentum. Es wurde eine Kapelle gebaut, in der 705 der hl. Lambertus erschlagen wurde. Dieses Ereignis war für die Zukunft von Lüttich bestimmend. Der Ort wurde eine stark besuchte Pilgerstätte. 721 verlegte Bischof Hubert den Bischofssitz von Tongeren nach Lüttich. Fortan war die ganze Region unter der Knute der hohen Geistlichkeit. Aufbegehren der Bevölkerung wurde konsequent von den Schergen der Kirche niedergeschlagen. Als 1468 eine Rebellion erfolgversprechend verlief, kam Karl der Kühne, ließ die Ringmauern schleifen, verwüstete die Stadt in unvorstellbarem Zorn und ließ sie niederbrennen. Die Chronik berichtet, dass 7 Wochen die Feuer schwelten und Leichen die Maas hinabtrieben. Aus Reue über diese Freveltat schenkte Karl der Kühne der Stadt drei Jahre später einen goldenen Reliquienschrein, der heute noch in der Cathédrale Saint-Paul zu besichtigen ist. Doch die mittelalterliche Stadt war zerstört und das Land drum herum völlig ruiniert.

Lüttich erschloss schon im Mittelalter als erste Stadt des Kontinents seine Steinkohlevorkommen und schuf damit die Grundlage für seine Kohle und Stahlindustrie. Mitte 18. Anfang 19.Jh. erfährt Lüttich, besonders nach der Gründung des unabhängigen Belgiens, einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Krise der Stahlindustrie ging jedoch auch an Lüttich nicht spurlos vorbei.
Heute macht die Stadt einen quirligen, lebhaften Eindruck. An allen Ecken und Enden stehen Bauzäune und Neubauten, Altes wird renoviert und restauriert.

Lüttich ist die Tochter der Maas, sie ist ihr Stolz und zugleich ihr größter Vorteil.

Wenn man viel Glück hat, begegnet man auch Tchantchés, dem Lieblings-Spitzbuben von Lüttich. Er wurde anno 760 zwischen zwei Pflastersteinen im Arbeiterviertel von Outremeuse geboren und sein erster Schrei war: "Pèkèt", das Nationalgetränk der Lütticher, ein Wacholderschnaps. Lästermäuler behaupten zwar "Tchantchés" wäre nur eine Marionette, doch nach einigen "Pèkèts" weiß man es besser.

Was hinter Lüttich folgt, muss man einfach mal gesehen haben.
Industrie, Kraftwerke, Kohle und Kieshalden. Ein Wald von Hochspannungsmasten zieht sich neben uns her, blasiert auf die Welt unter sich herabschauend wie spindeldürre alte Weiber.
Kamine recken ihre Schwanenhälse gen Himmel, wetteifern miteinander, wer macht wohl den dicksten Qualm, wer ist der Längste, wer der Dreckigste.



Ein Chemiewerk mit einer verwirrenden Zahl von Hunderten von Röhren. Kabeln und Leitungen, kreuz und quer, kein System feststellbar
Die Silos überquellend von giftiger Brühe, die Farbe und Material zerfrisst. Rost, Verfall und unvorstellbare Sauerei überall. Dazwischen Arbeitersiedlungen noch aus dem 19. Jh. Die Reichen der Reichen sind es nicht die hier wohnen. Ein Kalksteinwerk überpudert gnädig den Verfall mit einer weißen Decke.

Das Auge ist verwirrt, wenn wie aus dem Nichts plötzlich sanfte Hügel, Felder und Wald erscheinen. Ein netter Weiler duckt sich schutzsuchend in einen Taleinschnitt. Doch die Idylle dauert nicht lange. Die Kühltürme eines Kernkraftwerkes überziehen den eh schon grauen Himmel mit bleiernem Dampf. Gegen Mittag macht die Sonne einen zaghaften Versuch sich durch die Dunstglocke zu fressen. Ob es ihr gelingt? Wenigstens die Temperaturen um einige Grad heben, das wäre schon ein Glück.
Ein Herrenhaus in Maasbarok, vollständig restauriert, blickt hochmütig über den Fluss. Ein ungewohnter, ein seltener Anblick in dieser Gegend.

Die Ausläufer der Ardennen schieben sich an den Fluss. Mit sanften Hügeln, gesprenkelt mit bunten Häusern, drängen sie die Industrielandschaft zurück. Steilhänge mit dichtem Gestrüpp, graue verwitterte Felsen.

Huy ist in Sicht. Das kleine Huy mit seiner schönen Uferfront. Die Stiftskirche aus dem 14.Jh. ist verhüllt. Ob dieser Verhüllungskünstler, wie hieß er nur, hier war. Doch nein, sie wird nur renoviert. Abweisend darüber die Zitadelle. Das kleine Huy mit seiner schrecklichen Vergangenheit. Im 12.Jh. lebte hier ein fanatischer Einsiedler, der die Christen von Huy zum 1. Kreuzzug gegen Andersgläubige aufrief und viele damit in den Tod schickte. Die Zitadelle von Huy diente überwiegend als Gefängnis. Während der Hitlerzeit sammelten die Nazis hier die Menschen, deren Weg in die Vernichtungslager führte.

Das Tal wird breiter. Inseln teilen den Fluss. 100 m hohe Felsen drängen sich bis zum Ufer der Maas. Schroffe, verwitterte Steilhänge, zerbröckelt zu skurrilen Figuren. Hier eine Formation aus Kegeln, dort sehen sie aus wie abgebrochene Stalaktiten, andere bekrönt von Zinnen wie eine mittelalterliche Burg. Spitz wie der weggeworfene Zahnstocher eines Riesen. Der sieht aus wie aufeinandergeschichtete Sandwichscheiben. Hier, ist das nicht eine Kirchturmspitze? Oder die, sehen aus wie die Säulenbeine eines Riesenmammuts. Wie mottenzerfressen, durchlöchert, mit Höhlen und Nischen. Überwuchert von Gestrüpp und Wald, oder nackter glatter Stein. Beim Graben ihres Bettes hat die Maas ganze Arbeit geleistet. Bergrücken ducken sich wie der bemooste grüne Buckel von Moby Dick hinter die Felsen. Je schroffer und unwirtlicher der Fels, desto interessanter für die Kletterer. An so einer Wand fand 1934 der belgische König Albert I. beim Klettern den Tod.

Prächtige alte Herrenhäuser, neue moderne Luxus-Villen, ein traumhaft schönes Tal zum leben und wohnen. Aber auch für uns es zu bestaunen und zu bewundern. Und zur Krönung des Tages lacht die Sonne ins Tal und wärmt Haut und Herz.

Wir erreichen Namur, unseren letzten Aufenthalt an der Maas.

Es steht ja wohl außer Frage, dass bereits die alten Römer den Zitadellenhügel von Namur entdeckt haben und sich dort ausbreiteten. Historiker vermuten hier den Sitz der germanischen Aduatuker, von denen Cäsar im "Gallischen Krieg" spricht. In Namur fließt die Sambre in die Maas. Das ist einmalig in Belgien, dass ein Fluss in einen anderen mündet. Schon wegen dieser geographischen Lage wurde Namur zu einem der wichtigsten strategischen Orte ganz Nordeuropas. Zumindest behaupten das die Namurer und wir wollen es auch nicht bezweifeln.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Zitadelle immer mehr ausgebaut. Seit dem 15.Jh. ist die Geschichte der Stadt geprägt von Belagerung und Eroberungen. Das ist auch der Grund warum heute nur noch so wenig alte Gebäude erhalten sind. Unter dem Sonnenkönig wurde Namur selbst von dem berühmt-berüchtigten französischen Baumeister und Feldherrn Vauban belagert. Erst hat Vauban die Zitadelle erobert, dann hat er sie verändert und verstärkt. Heute ist die Zitadelle nur noch in Fragmenten erhalten, wird aber immer noch erstürmt und belagert, diesmal jedoch gewinnbringend von Touristen.





Namur selbst ist eine recht kleine Stadt. Durch Eingemeindung von 25 umliegenden Gemeinden erreicht sie heute die stolze Zahl von 100.000 Einwohnern. Mit ihren vielen Museen, Geschäften und Lokalen macht Namur den Eindruck einer Stadt in der es sich gut leben lässt, wo Lebenskunst eine Devise ist.

 

Wir werden hier in die Sambre abbiegen, um Belgien zu erkunden.

Ein klein wenig bedauere ich das, denn ein wunderschönes Stück Maas liegt noch vor uns. Die Maas fließt noch 46 km durch Belgien, dann umbenannt in Canal de lŽest branche nord 272 km durch Frankreich, bis sie sich endgültig vom Kanal verabschiedet und als kleines wildes Gewässer zu ihrem Ursprung findet. Die Städte an ihrem Ufer, Dinant und Givet, mit ihren geschichtsträchtigen Festungen. In Dinant lebte Adolphe Sax, der durch Zufall das Saxophon erfand. Fumay mit dem mittelalterlichen Stadtkern, Charleville-Mezieres mit seinem täglichen quirligen Verbrauchermarkt, Sedan und Verdun mit ihrer schrecklichen, bedauernswerten Geschichte, das Biermuseum in Stenay, alles ist sehenswert und interessant. Doch besonders beeindruckt wird der Wasserwanderer von der wunderschönen Natur und Landschaft sein.

Au revoir Meuse, wir werden uns wiedersehen.

Bilder teilweise Heinz-Dieter Pohl