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Kapitel 3

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Bis nach Venlo


Ganz allmählich finden wir zu unserem Alltagsrhythmus. Die Routine spielt sich ein.
Wir genießen es sehr, dass wir auf dem Boot so gut schlafen können. Dementsprechend spät stehen wir morgens auf.
Ich krieche sowieso erst raus, wenn ordentlich geheizt, das Duschwasser heiß und das Frühstück fertig ist. Wer kann schon von sich behaupten ein ganzes Bett für sich alleine zu haben? Nicht irre breit, aber dafür auch nachts kein Puff mit dem Ellenbogen oder Tritt vom Mitschläfer. Und wenn man sich ein paar mal von einer auf die andere Seite wirft, bekommt man morgens kein Gemeckere, man hätte rumgezappelt wie ein Walfisch. Manfred hat einen neuen Feudel entdeckt, seither ist er ganz wild darauf morgens das Schiff zu trocknen. Früher war das immer meine Aufgabe.

Ablegen, Tau zu Schnecken drehen, Fender und Bootshaken pedantisch genau aufräumen, alles muss immer griffbereit an seinem Platz liegen. Es gibt nichts schlimmeres als in einer Notsituation einen Haufen verknoteter Taue in der Hand zu haben, oder den Bootshaken erst suchen zu müssen. Manfred fährt los, ich mache Hausarbeit. Koche eine Thermoskanne Kaffee, spüle, dann gehe auch ich nach oben, leiste ihm Gesellschaft. Lasse Augen und Gedanken wandern.

Die Maas ist ein gestauter Fluss, entsprechend gering ist die Strömung. Es herrscht erstaunlich starker Schiffsverkehr. Man empfindet es jedoch nicht als störend. Die Ufer sind flach, die Wellen können sich auslaufen, die Bewegungen des Schiffs sind nicht unangenehm. Die Landschaft ähnelt der des Niederrheins. Nicht ohne Charme der im Dunst verschwommene Horizont, die Viehweiden und Äcker. Dazwischen riesige Bauernhöfe, schon von Weitem am Duft auszumachen. Die markige Ausdünstung der Tiere wetteifert mit dem sauren Geruch des vergärenden Kraftfutters in den Silos. Der steife Ostwind kräuselt das Wasser. Auf jede kleine Welle zaubert die Sonne einen Lichtblitz. Man hat den Eindruck, als schwämmen Tausende von glänzenden Sternchen im Wasser. Große Scharen von Möwen schwimmen auf dem Wasser und empören sich kreischend wenn ihnen unsere Beluga zu nahe kommt, doch wegfliegen wollen sie auch nicht.

Das Rauschen des Wassers, die Ruhe der Landschaft macht träumerisch und schläfrig. Es ist kaum vorstellbar, dass hier im 2. Weltkrieg die schrecklichsten Kämpfe ausgefochten wurden. Die überwucherten Reste der letzten Bunker stimmen schon sehr nachdenklich.

In Wansum ist direkt am Hafen ein Supermarkt und daneben ein Chinese. Eigentlich wollten wir hier mal essen gehen, doch wie das so geht, das Bessre ist der Feind des Guten. Im Supermarkt entdecken wir so herrliche Sachen, die können wir nicht liegen lassen. Mergpijpjes mit Creme gevuld, eigentlich nur Biskuit mit Creme und Marzipan drumrum und Krentenbollen, so leckere Rosinenbrötchen gibt es nur in Holland.
Eine richtig dicke Bratwurstschnecke muss mit, hausgemachten Rotkohl dazu, als Nachtisch Erdbeeren. Zum Knabbern noch den wundervollen "Old Amsterdamer", ein Käse mit eingeschlossenen Salzkristallen, einfach edel, würzig und lecker. Vergiss den Chinesen. Jedes Land hat seine ganz eigenen Leckereien, die muss man einfach genießen.

Jeder der schon mal in Holland war, kennt Venlo und wenn auch nur vom Hinweisschild auf der Autobahn. 90 n.Chr. bauten hier Valuas und seine Frau Ega eine Burg. Schon bald erhielt die Siedlung den Namen Veen-Loe, das heißt übersetzt "von Wasser umgebenes Land". Die Wissenschaft hält die Geschichte aber für ein Märchen. Hier getätigte Bodenfunde deuten auf eine größere Ansiedlung bereits zu Beginn unserer Zeitrechnung hin. Vom Mittelalter bis ins 19. Jh. versuchten immer wieder fremde Machthaber sich die Stadt einzuverleiben. Margarethe von Österreich, Kaiser Karl V., der Herzog von Parma (wer jetzt an Parmaschinken und Italien denkt, liegt falsch, der Herzog war Spanier), Prinz Frederik und der Herzog von Marlborough belagerten und umkämpften Venlo mit wechselndem Erfolg.

Wenn man heute durch Venlo bummelt, will man kaum glauben, dass man in Holland ist. Man hört nur Deutsche. Im Supermarkt hat vor uns eine Frau einen Turm aus Kaffee aufs Fließband gestapelt, davon könnten wir die nächsten 5 Jahre Kaffee kochen. Allerdings haben wir das kg Kaffee von Tchibo entdeckt für 3,-- Euro und das ist schon verdammt billig.



Das Kaufhaus " Die 2 Brüder von Venlo" vermitteln den deutschen Touristen das holländische Einkaufsgefühl und sahnt gnadenlos ab, allerdings mit Stil und sympathischem Flair.

Natürlich haben wir auch die antiken Bauwerke, wie Römerhaus, Kirche und Rathaus gebührend bewundert.

Doch eines fehlt sämtlichen Ansiedlungen hier an der Maas, das ist der Charme der so typischen niedlich kleinen Hollandhäuschen, die man rund ums Ijselmeer oder in Friesland findet. Wir sind an einer so genannten Gartenhaussiedlung vorbeigekommen, so elegante Villen muss man bei uns in Nobel-Vierteln suchen. Auch die normalen Wohnhäuser, sind zwar fast alle mit Backsteinen errichtet, könnten aber überall stehen. Nur die mit der Nagelschere manikürten Vorgärten, die sind schon sehr holländisch.

Ein kleines persönliches Andenken an Venlo nehme ich mit.

Manchmal ist mein Kapitän vor dem Ablegen etwas ungeduldig. Ich koche nach dem Frühstück eine Kanne Tee und eine Kanne Kaffee. Beide Kannen deponiere ich im Ruderhaus auf dem Tisch, mache das hintere Fenster auf, um sie nach oben aufs Achterschiff weiter zu reichen, da sehe ich, dass sich Manfred schon am Tau zu schaffen macht.
"Bindest du schon los?" frage ich etwas dümmlich. "Kann ja schlecht vorne und hinten gleichzeitig losbinden," knurrt er ungehalten, hat aber das Tau schon in der Hand.
Ich also lasse Fenster Fenster sein und hechte raus, binde vorne los. Manfred legt ab, macht noch mal kurz langsam, weil draußen ein Frachter vorbei fährt und gibt dann kräftig Gas um gegen den Strom und die anlaufenden Wellen aus dem Hafen zu kommen. Eine mächtige Kurve, Beluga legt sich heftig auf die Seite, ich klammere mich am Aufbau fest. Dann gehe ich runter, um meiner täglichen Hausarbeit nachzugehen.

Doch was ist passiert? Die blöde Teekanne ist vom Tisch gefallen, war nicht dicht, der Tee verschwindet gerade wie eine versiegende Ölquelle im Teppich. Jetzt ist bis zur nächsten Schleuse erst mal Tee aufsaugen und Teppich trocknen angesagt. Und dann darf man sich auch noch anmotzen lassen, wo denn der Kaffee für den vielbeschäftigten Herrn Kapitän bleibt. Die Diskussion, wer nun die meiste Schuld an diesem Malheur trägt, entscheiden wir pari. Doch sein Blick signalisiert mir ganz deutlich: er fühlt sich wie Hiob, die Plage bin ich.