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Kapitel 2

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Der Rheingau


Der Liegplatz unserer Beluga ist in Winkel.

Richtig besehen, eigentlich in Mittelheim. Die Orte Oestrich-Mittelheim-Winkel wurden zusammengezogen zu Oestrich-Winkel, das winzig kleine Mittelheim dazwischen wurde einfach unter den Tisch gekehrt.
Eigentlich schade, denn die Ägidius-Basilika aus dem 10. Jahrhundert steht hier. In ihr ruhen die Gebeine des Schutzpatrons der Winzer, des heiligen Urbans.
Die Oestricher glänzen mit ihrem "ältesten Kran Deutschlands", doch das ist nichts gegen das älteste bewohnte Steinhaus Deutschlands, das "Graue Haus" in Winkel. Es beherbergt heute eine Gaststätte, so exklusiv wie das Gemäuer alt und genau so teuer.
Was den langen, aber sonst recht unscheinbaren Ort Winkel wirklich unsterblich macht, ist das Brentano-Haus. Der Dichter Clemens von Brentano gilt als Motor der Rhein-Romantik. Seine Schwester Bettina von Brentano, die später den Lyriker Achim von Arnim heiratete, machte aus dem Haus in Winkel eine Hochburg der geistigen Elite. Hier traf sich alles was Rang, Namen und Adel hatte, Dichter, Autoren, Maler, Pädagogen und Theologen. Bettina tanzte konsequent aus der Reihe, zeigte ein starkes soziales Engagement und arbeitete damals schon an der Emanzipation der Frau.
Sie hob gerne ab: " Klemme nicht deine Flügel ein, fliege so hoch und so weit dich deine Flügel tragen."
Die Lyrikerin Karoline von Günderrode war eine Freundin von Bettina und oft im Brentano-Haus zu Gast. Die Günderrode war eine tragische Figur. Das Düstere, Dunkle war in ihr. Unter dem männlichen Pseudonym "Tian" veröffentlichte sie Dramen, Lyrik, Prosa und philosophische Abhandlungen. Sie orientierte sich an männlichen Idolen, an düsteren Landschaftsschilderungen. Mit gerade mal 26 Jahren beging die Günderrode Selbstmord. Sie erdolchte sich aus Liebeskummer direkt am Rhein in Winkel. Kein romantischer Tod und schon gar kein femininer.

Über den Tod der Freundin schrieb Bettina von Arnim:


"Da lag der herrliche Rhein mit seinem smaragdenen Schmuck der Inseln. Da sah ich die Ströme von allen Seiten dem Rhein zufließen und die reichen friedlichen Städte an beiden Ufern und die gesegneten Gelände an beiden Seiten. Da frage ich mich, ob mich die Zeit über diesen Verlust beschwichtigen werde, und da war auch der Entschluss gefasst, kühn mich über den Jammer herauszuschwingen."



Jeder Deutsche, ja fast jeder Europäer kennt Bettina von Armin geb. Brentano.
Ihr Konterfei zierte unseren guten alten, nie geliebten, aber heute schmerzlich vermissten 5-DM-Schein.


Clemens von Brentano ist die Reinkarnation der Poesie. Landschaftsbegeisterung, Reiselust, Patriotismus, Verehrung des Mittelalters mit seinen Burgen und Städten, die Liebe zu Märchen und Mythen, Volksnähe, Hinwendung zu Katholizismus und Schwärmerei, das war Brentano. Aber auch Ruhelosigkeit, Sprunghaftigkeit und Zerrissenheit kennzeichneten sein Wesen. Ein Künstler eben. Er liebt das freischwebende Fabulieren und er erfand die Loreley.



Zu Bacharach am Rheine
Wohnt eine Zauberin,
Sie war so schön und feine
Und riss viel Herzen hin.


Goethe war ein regelmäßiger, häufiger und gern gesehener Gast im Brentano-Haus.
Goethe was here

Das ist heute noch ein geflügeltes Wort. Und eigentlich war Goethe überall. Der Jurist Goethe war auch ein begnadeter Zeichner. Er erforschte das Rheintal zuerst mit dem Zeichenstift.

Oestrich-Winkel und die linke Rheinseite, Ingelheim-Nord, früher Frei-Weinheim, verbindet eine Fähre.
Seit Jahrhunderten durch den Strom getrennt, konnte Rheinhessen niemals die Popularität des Rheingaus erreichen. Zu Unrecht. Im Rheinhessischen wachsen hervorragende Weine. Es ist der Obstgarten einer ganzen Region.
Selbst Karl der Große erkannte die Bedeutung und Ausstrahlung Ingelheims und errichtete hier die Kaiserpfalz. Der dritte Sohn Karls, Kaiser Ludwig I. der Fromme, starb 840 in Ingelheim.

Heute ist Ingelheim bekannt durch seinen Rotwein, die Chemischen Werke von Böhringer und den Spargelanbau. Eine, besser zwei Brücken in dieser Region würde die Bevölkerung zusammenwachsen lassen und aus den "Sandhasen und der ebschen Seit" eine Gemeinschaft machen.

Im Standgas tuckern wir durch die Bucht. Doch bei der Ausfahrt wenden wir uns nicht etwa talwärts, nein, wir fahren bergwärts Richtung Mainz. Einige Tage ankern in der Eltviller Aue wollen wir uns gönnen, so zum einstimmen und relaxen. Der Rhein ist zwar mittlerweile überwiegend zurück in seinem Bett, doch der Verkehr ist schlimm. Alle Berufsschiffe, die wegen des Fahrverbotes bei Hochwassermarke zwei festlagen, sind jetzt unterwegs. Immer noch schwimmen ganze Baumstämme im Wasser. Über Ostern soll das Wetter traumhaft werden. Das werden wir ausnutzen. Ein Frühlingsputz tut unserer Beluga gut.

Dass ich für meinen Spatzel ein Osterei dabei habe, ist ja klar. Nur der Osterhase, der tut sich doch ein bisschen schwer zu uns zu finden. Obwohl Hasen ganz prima Schwimmer sind.

In früherer Zeit war man beim Überbringer der Ostereier nicht so einfallslos. In Oberbayern brachte der Hahn die Eier, in Thüringen der Storch, in Westfalen der Fuchs und in Fulda der Palmesel. In manchen Gegenden kam auch die Himmelshenne, der Ostervogel oder Kuckuck, Kranich und Auerhahn zum Einsatz. Merkwürdigerweise gab es aber in jeder Kultur das Osterfest. Und das ist ja ohne Osterei kaum vorstellbar. Der Hase war das Symboltier der vorchristlichen Fruchtbarkeitsgöttinnen Aphrodite, Ostara und Hulda und kam so als Lebenssymbol selbst in so entfernten Ländern wie Persien, Ägypten, Griechenland und Rom ins Spiel. Ein heidnisches Tier, dieser Hase, erstaunlich, dass die christlichen Kirchen, die das Osterlamm favorisierten, dem Hasen nicht den Garaus machen konnten. Versucht haben sie's sicher.

Nun, wir laben uns an unseren Marzipaneiern. Essen am Karfreitag Fisch, ersetzen den Spinat am Gründonnerstag durch Salat und Frankfurter Soße und lassen uns am Ostersonntag einen Braten munden. Nur um dann sofort ab Montag für den Rest der Woche strickte Diät einzuhalten um das erste angefutterte Kilo gleich wieder los zu werden. Ohne diese Konsequenz könnte man uns am Ende unserer Reise rollen. (Wie letztes Jahr.)

Es sind sieben Sonnen, die uns am Ostersonntag wecken. Es müssen mindestens sieben Sonnen sein, so strahlend, so glänzend wie die Welt um uns ist. Wir holen unseren Anker ein. Ein so herrlicher Tag muss ein gutes Omen für unsere Reise sein. Wir schippern an der Mariannen Aue vorbei. Dick vermummt sitzen wir auf dem Achterschiff, im Windschatten der Persenninge. Von unseren Flüstermotörchen ist hier nichts zu hören, nur das Rauschen des Wassers begleitet uns. Dieser junge, aufbrechende Frühling verzaubert die Insel und die vorgelagerten Leitwerke mit allen Grüntönen der Farbpalette.
Klaus, der Fährführer ruft uns einen letzten Abschiedsgruß zu.

Schon ist Geisenheim in Sicht.
Geisenheim, die Schulstadt des Rheingaus, mit seiner uralten Linde auf dem Marktplatz und dem Rheingauer Dom. Gleich zwei Gymnasien liegen sich hier gegenüber. Täglich spuckt der Zug die eingesammelten Schüler des Rheingaus am Geisenheimer Bahnhof aus. Quer durch die Stadt mussten wir kleinen Kerle latschen, halb erfroren im Winter. Doch Mittwochs hatten wir Schulmesse. Da durften wir dann noch eine Stunde im Dom weiterfrieren, statt uns im warmen Klassenzimmer aufzuwärmen. Wenn wir besonders unruhig waren, hat anschließend unsere Mater Loyola wie ein schwarzer Racheengel eine Strafpredigt über uns ausgespieen.
Bei so viel bigottischer Scheinheiligkeit blieb einem kleinen Mädchen nur zwei Möglichkeiten, entweder in duldsamer Demut Nonne werden, oder ein aufmüpfig, frecher Zweifler.
Nun ja, Nonne bin ich nicht geworden.

Kaum ist die Erinnerung abgeschüttelt, sind wir in Rüdesheim.



Rüdesheim und Drosselgasse sind miteinander verbunden wie siamesische Zwillinge, wie Frankfurt und Zeil, oder Berlin und Kudamm.
Leider ist die Flaniermeile durch Touristenläden und die Eisenbahntrasse eher verschandelt.
Doch außer Massentourismus hat der Mittelalterliche Ort auch eine 2.000 Jahre alte, vom Wein geprägte Geschichte. Die Brömserburg, eine Wasserburg der Mainzer Erzbischöfe, ein wunderschöner Marienaltar aus dem 16. Jahrhundert, Sektkellereien und Weinbrennereien.

Und das Niederwalddenkmal. Unsere Germania.
Sie überschaut das Binger Loch und bei schönem Wetter weit hinaus über den Hunsrück. Auf ewig stoisch und heroisch, erinnert sie uns an das goldene Zeitalter des Kaiserreichs, als das Gold noch nicht herrschte. Dass dieses Traumgebilde aus Bronze hier steht, verdanken wir nicht nur dem Kaiser, sondern auch einem Regentag. Am Tag der Einweihung hatten Anarchisten eine Bombe gelegt um Kaiser und Denkmal endgültig los zu werden. Doch in strömendem Regen ging die Lunte aus. Kaiser und Denkmal blieben uns erhalten. Die einzigen Opfer des Anschlages waren die Täter, sie wurden in Halle gehenkt.



Die Germania gehört heute genauso zu Rüdesheim wie Wein, Weib und Gesang.

Ein Lied erzählt über einen Rüdesheimer Grafen:
"Denn er saß und vergaß auf seiner Burg am Rheine seinen Schmerz, denn sein Herz tröstet Rüdesheimer Wein." Die Rheingauer haben schon immer gerne ihre Sorgen in ein Gläschen Wein geschüttet um sie zu ertränken, doch meist wohl erfolglos, denn Sorgen sind gute Schwimmer.

Rüdesheim gegenüber liegt Bingen.
Auch hier ist der Rhein eine natürliche Grenze, nur überbrückbar mit einer Fähre. An der so dringend benötigten Brücke scheiden sich kommerzielle Interessen, Allgemeinwohl und "Grüne". Der Mensch bleibt dabei im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke und darf nachts einen Umweg von ca. 80 km in Kauf nehmen, wenn er von Rüdesheim nach Bingen muss. Wo bleibt bei dieser unnötigen Emissionsbelastung der Umweltschutz?

Bingen führt eigentlich ungerechtfertigt ein Schattendasein neben Rüdesheim.
Im frühen Mittelalter war Bingen eine blühende Stadt. Sie lag und liegt an der strategisch wichtigen Stelle zwischen Rhein und Nahe.
Der Nahegrund verengt hier das Fahrwasser zum Bingerloch, eine früher besonders gefährliche Engstelle. Eine Felswand ragte in den Rhein, über die das Wasser wie ein Wasserfall sprudelte. Friedrich-Wilhelm II. ließ 1832 ein 30 m breites Loch in die Felswand sprengen, das Binger Loch. Erst nach dem Krieg wurde das Binger Loch weiter ausgebaut und entschärft.
Die Enge war hervorragend geeignet hier eine Zollstation zu bauen, den Mäuseturm.
In ihm wurde der Sage nach der geizige Bischof Hatto von den Mäusen gefressen.
Zum Schutz der Stadt wurde auf dem Berg eine Bastion errichtet, die heute noch erhalten ist, die Burg Klopp. Dem Patron der Stadt, dem heiligen Rochus wurde auf dem Rochusberg eine Walfahrtkapelle gewidmet. Heute sehr beliebter Trauungsort für besonders romantische Brautpaare.

Und nicht zuletzt, die unübertreffliche Äbtissin Hildegard von Bingen. Sie wurde von der Kirche heilig gesprochen und ihre Lehren über Pflanzen, ihre Gesundheitslehre und ihre mystischen Reime, Verse und Gesänge sind heute gerade mal wieder besonders in.

Der Rhein mit seinen 1.320 Stromkilometern ist einer der größten Flüsse Europas. Er entsteht in den Schweizer Alpen aus zwei Quellflüssen. Er ist talwärts ab der Brücke in Konstanz kilometriert. In Deutschland ist er 857 km lang. Bis zu seiner Mündung in die Nordsee sind es 1037 Kilometer. Die Kilometrierung wurde einmal von Holland aus bergwärts bis Bingen und zum Zweiten von Konstanz aus talwärts bis Bingen vorgenommen. Mit dem Resultat, dass hier, am Nahegrund, ein Rhein-Kilometer nicht ganz 600 m lang ist.



Das hohe Wasser beschert uns eine ordentliche Strömung, mit 20 km/h laufen wir zu Tal. Der kalte Wind bläst steif durchs Bingerloch und lässt den Rhein an manchen Stellen gegen uns laufen. Der Verkehr ist erwartungsgemäß stark, vor allem da auch alle Ausflugsboote unterwegs sind.

Assmannshausen ist weithin bekannt durch seine warmen, radioaktiven Mineralquellen. Sie sollen besonders Rheumatikern Linderung verschaffen.
Bereits 1844 hat der Freiheitskämpfer und Dichter Ferdinand Freiligrath hier in der "Krone" Station gemacht und etliche seiner Verse verfasst. In den kommenden Jahrzehnten wurde die "Krone" zu einem richtigen Dichterheim. Heute noch ein Restaurant, aber auch eine Hüterin der Erinnerungen.

Assmannshausen gegenüber liegt auf einem markanten Felsen die Burg Rheinstein. Ursprünglich hieß sie Voigtsburg und war eine Zollburg der Mainzer Kurfürsten. Im 19. Jahrhundert wurde sie von den Hohenzollern neu aufgebaut, umgebaut und renoviert und zählt heute zu den schönsten Schlössern am Rhein. Eine Besichtigung ist lohnend.

In Sichtweite der " Rheinstein" liegt die Burg Reichenstein. Sie wurde auf den Resten eines römischen Kastells erbaut, natürlich auch als Zollburg der Kurmainzer.
Der Burgvogt Philipp von Reichenstein machte sich selbständig und wurde der erste richtige Raubritter am Rhein. Er nahm die Pfeffersäcke aus und wirtschaftete ausschließlich in seinen eigenen Säckel.. Um die Jahrhundertwende (1900) wurde die Burg zu einem wunderschönen Wohnschloss umgebauten. Mir hat es besonders ein kleiner Innenhof mit Brunnen angetan. Romantischer und verträumter geht es nimmer.

Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Burg Sooneck. Auch sie eine Raubritterburg. Die Kaufleute und Schiffer müssen wirklich starke Nerven und einen dicken Geldbeutel gehabt haben auf diesen 60 km zwischen Bingen und Koblenz.