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Kapitel 4

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Nach Brügge

Der Kanal nach Brügge ist stark befahren und anfangs schnurgerade.
Doch erstaunlicher weise ist die Umgebung ganz toll.
Gemütlich wirkende Backsteinhäuser lugen über den Damm, moderne Walmdachbungalows, auch edle, alte Herrenhäuser mit Springbrunnen im Vorgarten, elegant behütet von schmiedeeisernen Toren mit goldenen Spitzen.
Aber auch immer wieder mal so ein drolliges schmales Backsteinhaus, das ich bis jetzt nur in Belgien gesehen habe. Schmal wie ein Handtuch, höchsten ein Zimmer breit, aber mindestens zwei manchmal sogar dreistöckig mit unheimlich spitzem Dach. Als Reihenhäuser ergeben drei oder vier Stück erst ein Haus, doch viele stehen auch alleine und das sieht wirklich lustig aus.

Riesige alte Kastanien, Säulenpappeln, Akazien, Serbische Fichten, die immer aussehen als wären sie traurig und würden die Schultern hängen lassen, Urweltmammutbäume von gigantischen Ausmaßen, irgendwer hat hier viel Geld in einen Park investiert.

Das Umfeld wird ländlicher, Wiesen, Viehweiden, nur noch vereinzelt ein paar Büsche und Bäume, die sich hilflos von dem starken Wind zerzausen lassen. Hahnenfuß und Gänse-Fingerkraut überziehen den Damm wie mit einem gelben Teppich.
Der Damm wird höher, das Hinterland ist nicht mehr einzusehen. Sonnengelber Ginster wuchert üppig. Es kann nur Färber-Ginster sein, nur der verträgt trockene wie feuchte Böschungen. Die gelbe Farbe aus den Blüten und Blättern wurde früher zum Färben von Wolle und Leinen benutzt.

Plötzlich neben uns ein sterbender Kutter, groß wie ein gestrandeter Wal. Nein, er stirbt nicht, er ist schon tot.
Alte Erinnerungen überschwemmen die Psyche mit Melancholie. Wir hatten eine schöne Zeit mit unserem Kutter, hängen immer noch ein bisschen an ihm. Die Zeit weilt, eilt, teilt und heilt. Schiffe mit Charakter und Ausstrahlung, wo findet man die heute noch?
Links von uns ein Bunker, gräuliche Überbleibsel einer schrecklichen Zeit. Der Wind pfeift mit Sturmstärke übers flache Land. Kann man das Meer schon riechen, oder ist es nur Einbildung? Ein Guillotinen-Tor um ins Land eindringende Wassermassen wenn nötig auszusperren. Es erinnert schon sehr an sein tödliches Gegenstück im Gravensteen.

Dann ein Hindernis. Die Brücke ist zu flach für uns. Manfred verhandelt über Funk mit dem Brückenwärter, schon hebt sie sich.
Vor Brügge kommen wir durch eine Pappelallee, die Ufer sind gestutzt, doch alle naselang ein Bunker. Dünkirchen ist nicht weit. Und eine Hebebrücke folgt der nächsten Drehbrücke, bis wir im Stadtkern sind. Direkt unter einer Windmühle legen wir an. Es ist "de Nieuwe Papegaai", eine hölzerne Ölmühle, die aber heute nicht mehr in Gebrauch ist.

Brügge, Kulturhauptstadt Europas 2002.
Wo nur soll ich beginnen?
Vielleicht bei dem wunderschönen Grüngürtel, der sich neben dem Kanal herzieht, rund um die Stadt?
Oder den vielen kleinen Grachten, die sich durch die Stadt schlängeln?
Oder vielleicht doch lieber bei den verwinkelten Straßen, oder dem mittelalterlichen Stadtbild?
Brügge ist nicht auf einen Nenner zu bringen.

Die Anfänge Brügges waren, na was wohl? Natürlich gallo-romanisch im 2. und 3. Jh. Im 7. Jh. wird das "Municipium Brugense" erwähnt. Im 9. Jh. landeten die Wikinger hier an der Reimündung und nannten den Platz "bryggia" d.h. Landungsplatz. Und schon baut Balduin mit dem eisernen Arm, der Begründer der flandrischen Grafendynastie und Schwiegersohn Karls des Kahlen von Frankreich, hier seine Burg. Ein unverhofftes Glück, 1134 entsteht im Meer ein Priel und verbindet Brügge durch den Meeresarm Zwin und die Rei mit der Nordsee. Im 12. u. 13. Jh. entwickelt sich Brügge zu einer der bedeutendsten Handelstädte der damals bekannten Welt. Bank- und Handelshäuser aus 17 Nationen lassen sich hier nieder. Die Stadt erlebt einen ungeheuren Aufschwung. Johanna von Navarra, die Gemahlin Philipps des Schönen von Frankreich besuchte Brügge im Jahre 1301. Als sie die Brügger Bürgerfrauen sah, rief sie unwillig:" Ich glaubte alleinige Königin zu sein, hier aber sehe ich Hunderte um mich."

Um 1350 zählt die Stadt fast 45.000 Einwohner. Im 15. Jh. kam Flandern unter burgundische Herrschaft. Die burgundischen Herzöge brachten zusätzlich enormen Luxus und Wohlstand in die Stadt. Doch das Schicksal meinte es auf Dauer nicht gut mit Brügge. Der Zwin versandete immer mehr und die Stadt war für Seeschiffe nicht mehr zugänglich. Brügge verlor seine führende Position an Antwerpen. Nach ständiger Besetzung durch Spanien, Österreich, Frankreich und die Niederlande verarmte Brügge zusehends. Und genau das war gleichzeitig sein Glück. Durch die Verarmung hatte keiner Geld genug das Stadtbild zu erneuern. Die alten Häuser wurden nicht eingerissen, die Gassen nicht erweitert und begradigt. 1907 erhielt die Stadt durch den Boudewijn-Kanal wieder einen Zugang zum Meer und erholte sich. Ein ehrgeiziges Sanierungsprogramm rettete einen großen Teil der Innenstadt. Dabei war das größte Problem die Reinigung der ungeklärten Abwässer in den Kanälen. Man kann sich den Geruch in heißen Sommern vorsteilen. Es wurde ein Kanalsystem und eine Kläranlage gebaut. Dann kaufte die Stadt einen Großteil der Innenstadtgebäude und restaurierte sie. Doch es sind nicht nur die Prachtbauten um die Marktsplätze interessant, auch die Seitenstraßen, Sträßchen und verwinkelten Gässchen bieten ein wunderschönes mittelalterliches Stadtbild. Vom Patrizierbau bis zur kleinen Fischerkate am Kanal.

Was den Eindruck allerdings nachhaltig stört sind die Horden von Touristen, die die Stadt überschwemmen. Doch die einfallenden Gucker bringen natürlich auch Geld und unterstützen damit die Stadt ihr Image einer lebendigen Kulturstadt zu vertiefen.

Einen wahren Schatz findet man in den Museen und Kirchen von Brügge.
Wandteppiche und Spitzen. Schon in vorchristlicher Zeit wurden Wandteppiche gewebt. In Ägypten, in Byzanz, im antiken Griechenland und im maurischen Spanien fertigte man seidene Wandteppiche um die Zimmerwände damit zu schmücken. Im Mittelalter entstanden hauptsächlich in Frankreich zahlreiche Bildwebereien. Nach dem französischen Wort für Teppich (tapis) wurden die Webereien Tapisserien genannt. Mit dem florieren der flandrischen Tuchherstellung entstanden gegen Ende des 15.Jh. auch in Gent, Brüssel, Leuven, in Lille und Oudenaarde neue Werkstätten. Die Wandteppiche wurden nach einer Vorlage gewebt, dem "petit patron", meist eine Federzeichnung mit Wasserfarben. Diese Vorlage musste dann spiegelbildlich in Originalgröße des Teppichs umgesetzt werden. Eine Kunst für sich. Raffael hat erstmals für die berühmten Bildteppiche der Apostelgeschichte die Vorlagen in Originalgröße gemalt.. Dies wurde dann allgemein üblich und selbst Peter Paul Rubens schuf die Vorlagen für Teppiche eigenhändig. Die eigentliche Arbeit besorgten natürlich die Weber. Die Webstühle waren so groß, dass 5 bis 7 Weber gemeinsam arbeiten konnten. Durch das ständige Wechseln der Farbfäden, konnten sie aber auch bei einem 10 Stunden Arbeitstag nur einige Zentimeter zustande bringen. Die Fertigstellung eines großen Wandteppichs dauerte mindesten ein halbes Jahr. Im 17. Jh. brachte das Zeitalter des Barock die Teppichweberei in Flandern zur höchsten Blüte. Rubens war der überragende Vorlagenmaler seiner Zeit. Ludwig XIV. der Sonnenkönig, gründete in Paris eine königliche Manufaktur in den Räumen der Färberfamilie Gobelin. So erhielten die Gobelins ihren Namen. Im 18. Jahrhundert war Frankreich führend in der Gobelinweberei.
Während der Französischen Revolution ist diese Kunst untergegangen.

Noch ein Beweis des Reichtums der Brügger Bürger ist die "Madonna mit dem Kind" von Michelangelo. Sie wurde von einem reichen Brügger Kaufmann von Michelangelo erworben und war das einzige Werk des Künstlers, das zu dessen Lebzeiten Italien verlassen hat.




Was meinen Spatzel in Brügge ganz besonders berührt, das sind die eleganten Kutschen mit ihren Zupferden.
Wunderschöne stolze, sehr gepflegte Pferde. "Die armen Kerle, den ganzen Tag auf diesem ekelhaften Pflaster traben, eine Kutsche mit Gaffern hinter sich herzerren und dann auch noch kastriert," sagt's und die Feuchte des Mitleides trübt seinen Blick.
Das ist die Retourkutsche, weil er richtig maulig ist, nur weil wir drei mal um die Liebfrauenkirche laufen um den Eingang zu finden.
Außer der Madonna wird auch ein Tropfen Blut von Jesus hier aufbewahrt. Die Geschichte Jesus wurde zwar erst 100 Jahre nach seinem Tod aufgeschrieben, aber einen Tropfen Blut, den haben wir schon mal. Mitgebracht von einem Kreuzzug ins Heilige Land. Wann waren die ersten Kreuzzüge? Im 11.Jh.? Ein Wunderland dieses Belgien. Doch beneidenswert wer daran glaubt und immer jemanden zur Hand hat, den er um Hilfe bitten kann. Hab ich es nicht schon gesagt?
Der Standpunkt bestimmt die Perspektive!

Und wieder sind wir erstaunt, dass es trotz der vielen Touristen in Brügge sehr sauber ist.
Vielleicht liegt der Unterschied einfach in Flandern und Wallonien?