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Kapitel 4

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An der Küste entlang nach Frankreich




Eine Penische taucht auf.
Ein Grund für uns auch abzulegen und mit ihm durch die nächste Schleuse zu fahren.
Hinter der Penische ein holländisches Sportboot. Der arme Kerl ist so geschockt als er uns ablegen sieht, dass er dem Berufsschiff fast in den Auspuff krabbelt, nur um vor uns in die Schleuse zu kommen.
Scheinen noch ruhelose Urlauber zu sein, keine Rentner, diese Holländer. Doch er muss keine Angst haben, die Rundschleuse hat gigantische Ausmaße, in diesen Trog passen noch etliche nervöse Holländer mit rein.
Vier Hebebrücken am Ortsausgang Brügge kosten uns eine Stunde und der Gott des Wetters hat gut lachen und amüsiert sich damit uns endlose Regenschauer und dicke schwarze Wolken zu senden.
Wir erwarten einen schnurgeraden Großschifffahrtskanal Richtung Oostende. Doch weit gefehlt, unser Kanal schlängelt sich durch die Landschaft wie ein Wiesenbach.
Viehweiden, Obst- und Gemüseplantagen, am Horizont tauchen die ersten Dünen verschwommen aus dem Dunst. Das Nordmeer ist nahe. Aber riechen tut man nur die Kühe aus Massentierhaltung in gigantischen Höfen. Hecken und Pappelreihen umsäumen den Kanal, allseitig den Blick begrenzend.

Die Seefunkstation Gattegat reckt Dutzende von Antennen neben uns in den Himmel.

Vor Oostende biegen wir in den Penischenkanal Richtung Nieuwpoort ab.
Jetzt durchfahren wir fröhliche kleine Dörfchen, das ist viel abwechslungsreicher als Natur pur, selbst wenn sie sehr schön ist.
Die Klappbrücken sind genauso lästig, wie Schleusen, ständig müssen wir warten bis es weiter geht. Und kein Ende in Sicht.
Es ist geradeso wie früher in Holland. Vor der Brücke musste man hupen, dann kam die Mutter in der Kittelschürze aus dem Haus, ließ an einer Angel einen Holzschuh herab und nach dem Einwerfen des Brückengeldes hat sie die Brücke für uns aufgedreht. Anfangs sollte man 10 Cent einwerfen, später waren es dann schon 1 Gulden, ich möchte nicht wissen, was es heute kostet.
In Belgien gibt es einen mehr oder weniger professionellen Brückenmann und ist kostenlos, dafür musste man ja die Vignette kaufen.

Dass der April ein unzuverlässiger Geselle ist, das wissen wir ja, aber der Wonnemonat Mai könnte sich schon ein bisschen mehr anstrengen und dem Regengott Paroli bieten.

In Nieuwpoort ist ablaufendes Wasser. Zwei Schleusen müssen wir überwinden um in unseren Kanal nach Veurne zu kommen. Jede Schleuse hat oben und unten je zwei Schleusentore hintereinander. Je nach dem ob Ebbe oder Flut ist, wird dann das eine oder andere Tor geöffnet. Wir schleusen runter ins Hafenbecken und dort in der anderen Schleuse auch runter ins Hinterland. Das soll einer verstehen. Für meinen Kapitän ist das natürlich logisch erklärbar. Vielleicht war das mit dem § 1 doch nicht so verkehrt.

In Veurne ist ein nettes kleines Hafenbecken, doch die Steganlage darin ist viel zu klein für uns. Also hängen wir wieder mal an einer Maurer. Veurne ist eine typisch flämische Kleinstadt. Ein bisschen verschlafen und gemütlich. Im ersten und zweiten Weltkrieg nahm die Stadt größeren Schaden, doch wenigstens die Renaissancegebäude um den "Grote Markt" und die Kirchen wurden wieder restauriert.

Eigentlich haben wir gedacht, dass es wohl keine Kirche in Europa mehr gibt, die uns noch beeindrucken könnte, doch die Sint-Walburga-Kerk in Veurne ist ein wahrhaft überwältigendes Gebäude und auch die Inneneinrichtung aus mächtigen Schnitzereien ist sehenswert.

Immer wieder steht man in Belgien vor einem Beginenhof.
Eine Ansammlung von Häusern, noch aus dem Mittelalter, wie ein Gutshof in sich abgeschlossen. Wir rätseln was das wohl bedeuten soll. Hat es was mit Anfängen zu tun, mit Beginn? Die Flamen sagen Begijnhof, die Franzosen béquinage. In meinem Wörterbuch steht:
avoir le béguin de qn = an etwas einen Narren gefressen haben. Sollte es vielleicht eine Irrenanstalt gewesen sein? Oder béguin = Häubchen. Häubchen = Nonnen? Wir graben weiter. Und entdecken: Begine = fromme Frau!

Das Beginentum hat seinen Ursprung im späten 12.Jh. und erlebte seine Blütezeit im 13. u. 14. Jh. in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Es war eine katholische Laienbewegung. Arbeiterinnen, meist ledig oder verwitwet, taten sich aus wirtschaftlichen und religiösen Gründen zusammen. Sie sorgten sich um alte, kranke und arme Menschen und arbeiteten zusammen. Sie waren keine Nonnen, haben nie ein Gelübde abgelegt. Aber sie erhielten durch die Kirche eine feste Ordnung und wurden in geschlossenen Höfen untergebracht. Diese Höfe erhielten eine Kirche, wurden Pfarreien und später eben Beginenhöfe. Heute leben in Belgien kaum noch Beginen. In Deutschland sind sie bekannt als Laienschwestern, mit einem kleinen Schleier, sonst aber normaler Straßenkleidung. Die Beginen führen ein unattraktives, bescheidenes Leben. Tagsüber dürfen sie alleine ausgehen, abends aber müssen sie wieder im Beginenhof sein. Viele der ehemaligen Höfe sind verwaist, wurden Museen oder Altersheime, einige werden auch als Kloster benutzt. Einige sehr schön restaurierte Höfe sind in Belgien noch zu besichtigen.