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Kapitel 4

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Brüssel

Das Durchfahren einer großen Stadt ist immer ein besonderes Erlebnis.
Das ist auch in Brüssel nicht anders. Die Eindrücke wechseln ständig, man kommt mit gucken gar nicht nach.
Die Flüssigkeit durch welche unsere Beluga fährt ist undefinierbar.
Vielleicht eine Jauchegrube in welche die Müllabfuhr einige Fuhren Restmüll entsorgt hat und damit es nicht zu dick wird letztlich doch noch einige Tropfen Wasser aus dem Kanalsystem dazurührt.
Trotzdem bringt es uns in den Königlich Brüsseler Yachtclub.
Ach Gottchen, wie arm, rechts und links je eine belebte Autostraße, auf einer Seite ein, ich denke es ist ein Elektrizitätswerk mit qualmendem Kamin und Umsetzer, auf der anderen Seite Schloss, Park und Gärten von Laeken, dem Wohnsitz des Königs. Doch außer Bäumen ist davon erst mal nichts zu sehen.
Blauäugig wie ich bin, habe ich mir vorgestellt, dass ein Yachtclub in einer Weltstadt wie Brüssel auch ein weltstädtisches, wenn nicht dann wenigstens europäisches Flair haben müsse, edel und elegant und exklusiv, mit Luxusyachten bis unter den Himmel. Doch weit gefehlt, was hier so rum liegt ist meist schrottig, schmuddelig und ungepflegt, ähnlich dem Hafen selbst.
Das einzig königliche ist der Preis.
Armes Brüssel!!

Grand Place, Grote Markt, der Marktplatz in der Altstadt.
Das ist unser Ziel.
Und schlagartig setzen die Probleme ein
. Hafenmeister ist montags keiner da. Doch ein freundlicher Anlieger zeigt uns wenigsten den Weg aus dem Hafen und die Richtung in die wir uns wenden müssen.
Laufen ist völlig unmöglich, viel zu weit.
Trambahn?
Ja, sie geht hier ab, nur einen km um den Hafen, dann einen km auf der Straße und schon stehst du an der Haltestelle.
Welche Tram wohin fährt, auf dem Plan ein Buch mit sieben Siegeln.
Wir steigen trotzdem ein. Lösen zwei Karten bei der Schaffnerin, setzen uns.
Eine hübsche junge Frau grinst uns an, scheinbar merkt sie dass wir Ausländer sind und ziemlich unbeholfen.
Wir müssen die Karten in einen Automaten stecken und abstempeln, erklärt sie uns in Englisch. Na, mit Automaten haben wir ja schon mal schlechte Erfahrung gemacht.
Ob wir denn im richtigen Zug Richtung Innenstadt sitzen, wollen wir wissen und wo wir aussteigen müssen und wie wir wieder zurückkommen.
Die Kleine amüsiert sich köstlich.
Sie ist sicher das finden wir nie.
Und wir auch.
Zwischenzeitlich steigen noch mehr Eingeborene ein. Eine mehrsprachliche heiße Diskussion entbrennt. Ein nur französisch sprechender Belgier behauptet steif und fest Manfred wäre aus Köln. Er spricht wie Köln. Mainz das kennt er nicht. Unsere Kleine schimpft mit ihm. Wenn ich sage Mainz, dann kann er nicht sagen Köln. Doch das ist ihm wurscht, Manfred ist jetzt Kölner. Basta!
Unsere Kleine mokiert sich, der unmögliche Mensch spricht nur eine Sprache, aber das ohne Unterbrechung. Erst als ich ihr sage, dass er doch "very kind" ist, ist sie wieder versöhnt.
Wir müssen mit ihr aussteigen, dann rennt sie vor uns her, Trepp auf, links rum, rechts rum, noch ein paar Ecken, quer durch ein Kaufhaus, über eine Straße, erklärt uns noch mal eindringlich welche Richtung weiter. Nach einem Händedruck und merci stehen wir alleine da.
Hätten wir alles wirklich nicht gefunden.
Sympathisches Brüssel!

Nach Anweisung geht's ums Eck und jetzt stehen wir mitten in der "Drosselgass".
Nein, das ist die Fischgasse.
Ein Gässchen so schmal wie ein Handtuch, vollgestellt mit Tischen und Stühlen, eine Kneipe an der anderen. Die Theken quellen über vor Fisch und Muscheln, Obst und sonstigen Fressereien. Manfred schüttelt sich bei dem Gedanken hier essen zu müssen, zwischen all den neugierigen Spaziergängern. Riechen tut's trotzdem verlockend.
Wir wollen aber auf den berühmten Marktplatz.
Wir biegen in eine Wandelhalle ab.
Eine Galerie in Jugendstil, edel, exklusiv, es sieht schon teuer aus, ohne dass man was kauft. Schaufenster an Schaufenster, jedes gekrönt mit einem Rundbogen. Galerie de la Reine, die Galerie der Königin.
Und da ist er, der Eingang zum Paradies für Schleckermäuler.
Das Stammhaus des Pralinenherstellers Neuhaus. Pralinen sind ein viel zu profaner Ausdruck für die kleinen, handgemachten, teuren Kunstwerke ohne Zukunft. Jedes einzeln verpackt in den sog. Ballotins, grün-goldene Schächtelchen, die dem Kenner signalisieren:
Achtung Neuhaus, nur mit Andacht verzehren!
Arme Rentner wie wir, können diese Wunder der Chocolaterie nur bestaunen, kaufen und essen werden wir höchsten die echten Leonidas, die sind schon teuer genug, aber göttlich.
Leckeres Brüssel!

Jetzt stehen wir auf dem Großen Platz.
Es ist schwierig etwas derart ungewöhnliches und beeindruckendes zu beschreiben. Die Zunfthäuser dürften in dieser Pracht wohl einmalig auf der Welt sein. Gotisch, Barock, Flämisch, Renaissance, das Hotel de Ville, das Maison du Roi, Prunk soweit das Auge reicht. Wir bewundern und staunen und machen eine Stadtrundfahrt, sonst können wir niemals alles anschauen.

Ein Triumphbogen, nicht ganz so groß wie in Paris, das Palais Royal, die Kathedrale, der Justizpalast, Manneken Pis, Kirchen, Kirchen, Kirchen, eine schöner und beeindruckender als die andere. Denkmäler, Türme, Brunnen, das Europa-Viertel. Das Atomium, Eisenmolekül in 165-milliardenfacher Vergrößerung. Dahinter ein Park mit Europa im Miniformat.

Sehenswertes Brüssel!





Und Laeken, der private Wohnsitz der königlichen Familie in einem riesigen Park. br> Wir haben irres Glück.
Die Gärten und Treibhäuser von Laeken sind nur einmal im Jahr 2 Wochen zu besichtigen.
König Leopold II. war einer der reichsten Männer des 19.Jh. Er hatte den Traum aus Belgien eine Weltmacht zu machen und seiner Hauptstadt zu internationalem Ansehen zu verhelfen. Bei seiner Thronbesteigung sagte er: " Ich wünsche mir nur eines - Belgien einmal größer, stärker und schöner zurückzulassen." Mit dem Geld, das er dem Kongo abpresste, verschönerte er das Stadtbild von Brüssel, doch seine ganze Liebe galt Laeken. Er vergrößerte den Landsitz um das Doppelte und schuf ausgedehnte Gewächshäuser. Es verging selten ein Tag, an dem sich der König nicht an seinen Blumen erfreute. Die Architektur der Gewächshäuser ist ein Meisterwerk. Das Gitterwerk ist aus so dünnem Stahl, dass es schwerelos über dem Betrachter zu schweben scheint. Ein Treibhaus voller Kamelien, angeblich 1000 verschiedene Sorten, die Büsche 3-4 m hoch. Orangenbäume, teilweise schon 200 Jahre alt. Bananenstauden mit Früchten. Palmen, alle Rassen und Sorten, einige 30 bis 40 m hoch. Es blüht und grünt in unvorstellbarer Vielfalt.
Der König war trotz seiner Erfolge auf wirtschaftlichem Gebiet und seiner Großzügigkeit, er schenkte Brüssel z.B. anlässlich der 50-Jahr-Feier der Monarchie, den Triumphbogen, nicht beliebt. Leopold schien jedoch die Empörung, die seine Grausamkeiten im Kongo in ganz Europa und Amerika auslöste, nicht zu kümmern. Er sagte einmal." Ein großer Mann muss nicht unbedingt auch ein guter Mensch sein." Womit er wohl Recht hat. In Laeken jedenfalls hat er sich ein Denkmal gesetzt, in dem er auch gestorben ist.
Traumhaftes Brüssel!

Auf dem Rückweg von Laeken versuchen wir uns mit dem Bus.
Diesmal sind wir schon schlauer, das Abstempeln der Karte funktioniert bereits beim zweiten Anlauf, man muss die Karte nur richtig rum reinschieben.
Doch aussteigen tun wir völlig falsch.
Im Wind, mitten auf der Strasse, mit einem ein Quadratmeter großen Stadtplan zu hantieren, das löst bei einigen Passanten Mitleid aus. Doch dieser vermaledeite Hafen ist so weit außerhalb, der ist weder auf dem Stadtplan noch kennt ihn einer. Gestenreich werden wir in verschiedene Richtungen geschoben.
Manfred versucht sich mit seinem Riecher, und der führt uns direkt ins türkische Viertel.
Verhüllte Hühner, Kittelmänner mit Bärten und Käppis, Metzger mit Hammelfleisch, Bäcker mit Fladenbrot, Geschäfte mit Wasserpfeifen und buntem Kitsch.
"Lass uns in den Supermarkt gehen, du wolltest doch Graupen, die haben sie hier bestimmt."
Der Laden ist sehenswert. Alles was turque und chinois an Gewürzen und Lebensmitteln zu bieten hat, das ganze aufgezogen wie ein türkischer Basar, der Eingang so vollgestellt, dass man nur noch einen Trampelpfad hat. Irre.
Gleich nebenan ein Imbiss. "Friture", steht dran.
"Ich will jetzt sofort eine Portion Pommes."
Wir also rein.
Was die Jungs da auf ein Baguette laden, sieht alles sehr vielversprechend aus. Wir bestellen uns zwei riesige Sandwich mit Pommes und scharfer Soße, ich mit Hackfleisch, Manfred mit türkischen Würstchen. Als uns der Koch beim Zahlen in sauberem Deutsch fragt wie's war und wir wie aus einem Mund antworten "guut", da strahlt er wie ein Honigkuchenpferd.
Multi kulti Brüssel!

In Brüssel büßen wir alle bewegungsmuffeligen Sünden der letzten Wochen ab, der Heimweg dauert wieder eine Stunde. Lange Wege Brüssel!

Es gibt aber noch ein Brüssel, über das man als Deutscher nicht so einfach hinweg sehen kann. Die erbarmungslose Schweinerei überall. Selbst in südlichen Ländern ist es nicht so dreckig wie hier. Bei uns wären in der Residenz des Königs die einzelnen Pflastersteine poliert, hier wächst Gras und Unkraut dazwischen. Berge von Müll liegen in den Straßen, gibt es denn in Belgien keine Straßenreinigung? Die Anlagen um das königliche Palais im Stadtkern, in dem ja auch Staatsempfänge stattfinden, sind lieblos kahl und ungepflegt. Viele der alten Häuser stehen leer und zerfallen. Selbst an den herrlichen Gewächshäusern nagt der Rost, obwohl sie 28 Jahre lang renoviert wurden. Bei leerstehenden Hochhäusern und Geschäftshäusern sind von innen die Fenster von Farbsprayern beschmiert. Hinter dem vornehmen Clubhaus unseres Hafens sieht es aus wie auf einer Müllkippe. Selbst das Europa-Viertel ist nicht sauberer.
Dreckiges Brüssel!

Vielleicht ist der Dreck im Wasser und an Land der Grund warum nur wenige nach Belgien fahren?