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Nevers


An einigen Orten, wie hier in Marseilles stoßen der Kanal und die Loire fast zusammen.
Majestätisch schiebt der Fluss sein ruhiges Wasser dahin. Hier bietet er ein Relief aus Inseln und Sandbänken, die von nirgendwo aufzutauchen scheinen. Es scheint unglaublich, dass dieser Fluss einmal schiffbar war, ja stellenweise sogar von Penischen befahren werden konnte.

Es waren nicht nur die Unbilden der Natur, Hochwasser, Trockenheit, Wind und Wetter, die den Flussschiffern das Leben schwer machten.
Vom Mittelalter bis ins 19. Jh. wurden die Frachten auf Flüssen mit Zöllen belegt. Die feudalen Landesherren und Städte erhoben Abgaben. Kirchenzölle mussten entrichtet werden. Spezialabgaben für Pilger, Juden und Leichname wurden erhoben. Ausnahmen gab es nur für den Klerus, Jahrmarktshändler und Waffenhersteller. Eine interessante Auswahl und Mischung. Natürlich wurden auch Gebühren für die Benutzung der Kanäle erhoben. Irgendwie musste das Ganze ja finanziert werden und aus purer Menschenfreundlichkeit hat wohl schon damals keiner sein Geld investiert.

Im Mittelalter war der Genuss von Fleisch während der Fastenzeit streng verboten.
Das war natürlich ein wahrer Gottessegen für die Fischhändler.
Ihr wesentlich verbessertes Einkommen in dieser Zeit unterlag einer zusätzlichen Steuer.
Natürlich gab es auch Schlaumeier, die nicht zahlen wollten.
Am Weißen Sonntag mussten sie sich aller Kleidung bis aufs Hemd entledigen und unter den unflätigen Kommentaren des Volkes in den Fluss springen.

Es war weiß Gott ein hartes Brot Schiffer oder Fischer zu sein. Und so richtig wohlhabend ist dabei wahrscheinlich auch keiner geworden.

Mit brachialer Gewalt ergießen sich Wasserfontänen in die Schleuse, vermischen sich zu gurgelnden Strudeln und gierig hin und her schwappenden Wellen. Das Boot wehrt sich unwillig gegen diese raue Behandlung. Wir zerren krampfhaft an den Tauen, die der Schleusenmeister 10 m über uns befestigt hat.
Bei unserer ersten Benutzung der zweistufigen Schleusentreppe von Guétin konnten uns die einströmenden Wassermassen noch erschrecken. Doch diesmal sind wir vorbereitet. Die Fender sitzen richtig, das Boot hat unsere volle Aufmerksamkeit.
Zwei Kammern klettern wir aufwärts, um direkt in einem schönen 18bogigen, 343 m langen Aquädukt die Allier zu überqueren. Der atemberaubenden Anblick des wilden Flusses drängt schnell die Eindrücke des Vormittags in den Hintergrund, die suppentellergroße Schildkröte, der freche Bisam, der einfach unter uns hindurchtaucht, die vielen Eisvögel, Enten mit ihren Kindern, die Graureiher, die jedes mal fast vom Himmel fallen, wenn Manfred hupt.

Und am Ende der Kanalbrücke die Begrüßung:
Willkommen im Schlaraffenland Burgund und der Provinz Nivernais.

Im 15. Jh. war Burgund ein mächtiges Reich zwischen Deutschland und Frankreich, das von der holländischen Nordseeküste bis zur Schweiz reichte. Der Name Burgund stammt von dem ostgermanischen Volksstamm der Burgunder, der sich im 5.Jh. hier ansiedelte.

Natürlich statten wir der Hauptstadt des Nivernais, der Stadt Nevers, einen Besuch ab.
Land und Stadt verdanken ihren Namen dem kleinen Nebenfluss der Loire, der Nièvre. Leider wurde sie in Nevers beim Ausbau des Straßennetzes in den Untergrund verbannt und fließt heute im Viertel der Flussschiffer in einem unterirdischen Kanal in die Loire.
Obwohl uns durchaus bewusst ist, dass die alten Fischerboote nur für das Auge der Touristen in der Loire verankert wurden, sind sie ein wunderschöner Anblick, wenn sie sanft auf den Wellen schaukeln. Und mit einem kleinen bisschen Fantasie gelingt einem auch die Vorstellung, wie es wohl war, als die "Inexplosibles" an der Anlegestelle unterhalb des Goguin-Turms ihre Passagiere aufnahmen und die Waschfrauen ihre Weißwäsche zum Trocknen und Bleichen hier aufhängten.

Blau ist die Loire, auf der die mit den Waren der Stadt beladenen Schiffe in die Welt hinausfuhren. Blau sind die Malereien auf den Fayencen, die Nevers berühmt gemacht haben. Blau war der Nièvre, so blau wie der Himmel über der mächtigen Kathedrale hoch oben auf dem Stadthügel, dem Butte und blau markiert ist auch der Wanderweg, er uns an allen Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei führen soll.

Unser erster Weg führt uns natürlich in die Markthalle.
Keine Stadt Frankreichs, die etwas auf sich hält, ohne Markthalle und Samstags oder Sonntags einem ordentlichen Verbrauchermarkt.
Das Angebot ist auch hier einfach unbeschreiblich. Käse, Brot, Kuchen, Obst, Gemüse, alle Leckereien lassen mein Herz höher schlagen, doch Manfred ruft zum Maßhalten auf.
"Mein Gott, wenn ich Maß halten will, gehe ich nach München aufs Oktoberfest."
Schweren Herzens verkneife ich mir dennoch jeden Einkauf, unser Kühlschrank ist gerammelt voll.

Über den Markt, durch einen wunderschön gepflegten Park mit einer Wildschweinfamilie aus Bronze und schon stehen wir vor dem Konvent
St. Gildard. In der Klosterkapelle soll der unverweste Leichnam von Bernadette Soubirous in einem Glassarg ausgestellt sein. Die heilige Bernadette von Lourdes kam mit 22 Jahren nach Nevers um hier in den Orden einzutreten. Sie starb 1879 und wurde beerdigt. 1925 wurde sie umgebettet und man fand ihren Leichnam unverwest im Grab. 1933 wurde sie heilig gesprochen.



Wir sehen tatsächlich eine in eine Nonnentracht gehüllte Gestalt, in einem Glassarg wie einst Schneewittchen, und genauso schön.
Das zart modellierte, vergeistigte Gesichtchen, die feingliedrigen Händchen gefaltet vor der Brust.
Was wir sehen ist ein Meisterwerk aus Wachs.
Wunder kommen halt nur zu denen, die daran glauben.

Irritiert beginnen wir unseren blauen Streifzug durch die Geschichte.

Mit imposanter Wucht beherrscht die Kathedrale Saint-Cyr-et-Saint-Julitte die Stadt. Sie ist das Resultat einer wechselvollen Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau. Sakrale Kunst der Taufkapelle aus den Anfängen des 6. Jh. Romanisches Querschiff aus dem 11. und 12. JH. Gotisches Hauptschiff aus dem 13.Jh. Chor aus dem 14. Jh. Seitenkapellen und Glockenturm aus dem 15. und 16. Jh. und Kunst der Neuzeit, denn die Glasfenster wurden nach dem Krieg erneuert.

Philippe Graf von Nevers errichte 1405 nach dem Vorbild seines Vaters Philippe dem Kühnen eine Rechnungskammer mit Hochgotischen Stilmerkmalen für das Nivernais.

Auf dem Place-Guy-Coquille stand früher die Statue der Königin Pédauque, der Großfüßigen Bertrada. Sie war die Gattin Pippin des Kurzen und Mutter von Karl dem Großen.
Einem Heldenlied aus dem 13. JH. zufolge wurde sie mit einem Gänsefuß abgebildet.
Zwischen dem 14. und 18. Jh. war der Bettelorden Franz von Assisis, die Franziskaner hier ansässig. Sie wurden von den Franzosen Cordeliers genannt, nach der weißen Schnur - corde - die sie an Stelle eines Gürtels trugen.

Im Jahre 1759 wurden eine Kapelle und zwei Häuser abgerissen, weil man König Ludwig XV. den Durchgang durch die Stadt erleichtern wollte, doch er kam nie durch Nevers.

Bürgerhäuser der vermögenden Bourgeoisie mit dem Raffinement des Jahrhunderts Ludwig XV. prägen das Stadtbild genauso wie die Entscheidungen eines Monsieur Fouché. Er sollte hier eigentlich nur Freiwillige für die Revolutionsarmee rekrutieren, doch er ließ alle Kirchenglocken mit Ausnahme einer pro Gemeinde entfernen.
Er zerstörte alle äußerlich sichtbaren Symbole der katholischen Religion und ließ sämtliche Glockentürme der Kirchen in denen kein Gottesdienst mehr abgehalten wurde einreißen.

Ja, und dann ist da noch Ver-Vert, der Papagei von Nevers. Er lebte im 18.Jh. bei den Schwestern des Visitationsordens von Nevers. Er war perfekt erzogen, konnte sogar das Ave Maria, das Vater Unser und andere Gebete aufsagen. Damit die Schwestern von Nantes ihn auch bewundern könnten, gaben ihn die Nonnen einem Binnenschiffer mit. Am Ziel angelangt, hatte Ver-Vert aber seine vornehme Herkunft und Sprache vergessen und fluchte wie ein Schiffer.
Sapperlot, vielleicht haben sich die Schwestern mit der köstlichen Nougatine aus Nevers über dieses Desaster hinweggetröstet.

Die modernste Errungenschaft von Nevers ist aber die Formel 1 Rennbahn von Magny-Cours. Der Grand Prix de France wird 10 km von hier ausgetragen. Wir werden das Rennen nächste Woche trotzdem lieber am Fernseher verfolgen.