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Kapitel 5

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Stau


Schleuse Nr. 30 öffnet brav ihre Tore für uns.
Vor uns in der Stauhaltung steht eine Hotelpenische schräg im Kanal. Den Bug vorne links am Ufer, das Heck hinten rechts am Ufer festgefahren. Am linken Ufer stehen zwei junge Männer und versuchen mit einem Tau das Heck rüber zu zerren. Ohne jeden Erfolg. Wir stoppen, warten. Gucken eine ganze Weile lang zu.

"Was machen wir jetzt?" Frage ich scheinheilig,
"Können wir dem helfen, oder müssen wir warten bis wir gar gekocht sind?"
Manfred zuckt die Schultern: "Ich kann ja mal versuchen, ob wir ihn runter zerren können."

Langsam schieben wir uns an John vorbei und laufen der Penische auf. Sofort bekommen die Buben Panik-Attacken, zerren ihr Seil aus dem Wasser, schwenken es hin und her und plärren wir sollen zurückbleiben.
Unser Bug berührt fast das Tau, dann beruhige ich sie:" We help you."
Strafe muss schließlich sein.

Mit dem Bootshaken angle ich das armdicke Tau, bringe es aber nicht richtig um unsere Spielzeugpoller gewickelt. Das macht Manfred selbst. Dann lässt er langsam die Maschinen höher drehen, Vollgas rückwärts. Das Tau sirrt. Beluga zerrt wie ein Kampfhund, windelt sich von einer auf die andere Kanalseite. Die Penische macht keinen Rucker. Neuer Anlauf, gleiches Spiel. Ein Knall wie ein Kanonenschuss.
Ich kreische nach hinten: " Das Tau, das Tau, es reißt."
Manfred stoppt sofort auf. Der aufgewühlte Schlamm des Kanals beutelt uns noch eine Weile bis sich die Wellen beruhigen. Mindesten drei Seelen des Taus sind tatsächlich gerissen.
Wir hängen ab.
"Wir machen noch einen Versuch. Vorwärts habe ich mehr Kraft. Wir hängen ihn hinten an."

Wir drehen auf der Stelle, Millimeterarbeit, der Kanal ist nicht viel breiter als wir lang, fahren rückwärts wieder an die Penische heran. Die Buben stehen immer noch am Ufer und gucken. Als sie merken, dass wir einen erneuten Versuch starten wollen, rufen sie um Hilfe.
Der Koch erscheint. Wieder fische ich ein armdickes Tau. Der Koch bindet es an seinem Poller fest. Manfred zieht an, das Tau spult sich auf, war nicht richtig fest.
Hoffentlich kann er besser kochen als Schiff festbinden.
Neuer Versuch. Der Koch bekommt gute Ratschläge vom Ufer aus, hängt endlich das Auge ein.
Manfred wieder langsam, schneller, schneller, Vollgas. Der Bug steigt, Beluga zerrt. Der Knall. Das Seil reißt. Die Schlammbrühe um uns brodelt und wirft uns von einer Seite zur anderen. Manfred muss sein ganzes Können aufbieten um nicht gegen die Ufer zu prallen.

Neuer Versuch mit einem anderen Tau.
Ich rufe rüber: " Help us with your engine, come back."
Keine Reaktion.
Das Tau spannt sich, Beluga bäumt sich auf, zerrt, das Tau fädelt unter unserem Beiboot ein, hebt es aus den Davits. Mit Getöse und Gescheppere knallt es auf die Badeleiter.
Die Penische liegt immer noch am gleichen Fleck wie vorher.
Wir geben auf.

Hinter uns wird die Schleuse befüllt und das Wasser mit Schwung in den Kanal gelassen. Nur uns und John verwirbelt es.
Die Penische steht wie fes

"Na, das kann ja wohl nicht wahr sein, dass die keinen Sprit mehr haben. Kein Wunder, dass sie den Motor nicht starten konnten."

Wir schütteln beide den Kopf. So ein grober Fehler dürfte einem Berufsschiffer wirklich nicht passieren.
"Wenn der jetzt ein paar Tonnen tankt, geht er noch tiefer rein, dann kommt er nie mehr weg."

Zwischenzeitlich kommt der Omnibus mit den amerikanischen Fahrgästen, es ist Mittagszeit.
Das Thermometer zeigt in der Sonne 50,8 Grad. Der salzige Schweiß rinnt mir schneller in die Augen, wie ich ihn wegwischen kann.

Gäste an Bord, Tankung beendet, der Motor springt tatsächlich an. Ein Tau wird am Omnibus befestigt. Der Omnibus zieht. Knall, das Tau reißt.

"Die haben wirklich nur Schrott an Bord."

Neuer Versuch mit neuem Tau. Auch der ohne jedes Ergebnis. Der Kahn steckt fest.

Das Tauchsiedersyndrom kommt hoch.

Langsam schieben wir uns wieder in den Vordergrund.
"John, go back, me aus de Feet, I make jetzt Wells." Manfreds Englisch ist lustig.
Er knallt die Hebel auf den Tisch. Beluga streckt empört die Nase in die Luft.
Wie die Irren rasen wir das kurze Stück auf die Penische zu.
Stop, Vollgas rückwärts, Stand.
Die Wellen überholen uns, schaukeln uns durch.
Heißer Schweiß rinnt mir die Wirbelsäule runter und verschwindet, keiner weiß wohin. Na ja, vielleicht ist auch ein bisschen Angstschweiß dabei.
Die Penische steht.
Zurück, neuer Anlauf, gleiches Spiel. Die Wellen schießen an uns vorbei. Erreichen den Bug des Hotelschiffes, eine, zwei, drei, der Bug schwimmt auf, er ist frei.
Jubel allerorten.
Große Danksagung, als wir an ihm vorbei fahren. Diesmal helfe ich die Dreckspritzer aus dem Kanal vom Heiligenschein zu putzen.

Eine zusätzliche Nacht im Kanal.

Viehweiden mit kräftigen Charolais-Rindern und ihren Kindern, auch Pferdemütter mit Fohlen, Weizenfelder und Maisäcker, die sanften Hänge der Côte d'Or versteckt unter Weinbergen, Schleusenhäuser geschmückt mit Betunien, Begonien, Geranien, fleißigen Lieschen und Dahlien, kleine Dörfchen und riesige Bauernhöfe, dazwischen rauschende Wälder. Pappeln, Birken und Robinien, die befallen von Misteln ums Überleben kämpfen.





Die Botaniker behaupten zwar steif und fest, die Mistel wäre ein Halbparasit und würde ihren Wirt nicht töten. Doch das ist einfach nicht wahr. Wir beobachten seit Jahren, dass von 10 von Misteln befallenen Bäumen 3 bereits tot sind und 5 am Absterben, für die restlichen 2 ist es nur eine Frage der Zeit. Dabei hat die Mistel auch noch einen heiklen Appetit. Eichen und Rotbuchen werden verschmäht.

Und die Mistel tötete auch Baldur, den schönsten und edelsten der nordischen Götter. Um ihren Sohn zu schützen ließ die Asin Frigga alle Geschöpfe im Himmel und auf Erden einen heiligen Eid schwören ihm niemals etwas anzutun. Nur die schwache und unbedeutende Mistel wurde vergessen. Als der verschlagene, ränkesüchtige Loki dies erfuhr, schnitze er aus Mistelholz einen Pfeil, spannte ihn auf den Bogen des blinden Hödur und dieser erschoss unwissentlich seinen Bruder. Bei Menschen und Göttern herrschte fortan tiefe Trauer.
Die Welt der Götter und Menschen versank in der Götterdämmerung.

Schwarz wird die Sonne, die Erde versinkt.
Vom Himmel fallen die heiteren Sterne.
Glutwirbel umwühlen die allnährende


Doch die Welt entsteht neu. Baldur der strahlende Lichtgott und sein Bruder Hödur, der Gott der lichtlosen Winterzeit kehren aus Hels Totenreich zurück. Ungetrübter Friede herrscht von nun an in den himmlischen Höhen.

Fast so, wie bei uns zur Weihnachtszeit, wenn man die Mistel als Glücksbringer über die Tür hängt und jeder der darunter steht soll/darf/muss geküsst werden.

Nun, bis Weihnachten haben wir noch ein paar Tage Zeit. Natürlich habe ich ausprobiert wie es ist schon jetzt einen Mistelzweig zu haben. Doch leider sehr erfolglos. Selbst in Wasser gestellt hat er bereits nach einem Tag die Blätter abgeworfen. Also warten. Weihnachten kommt bestimmt.

Nichts ist für die Ewigkeit gemacht, ewig ist nur der stetige Wandel.

Bonjour Saône !!